Begrüßung anlässlich der Feier 100 Jahre Friedensdenkmal

„Steinheim am Main, 15. Oktober 1911, 14:00 Uhr: „Möge das stolze Denkmal auch den künftigen Bewohnern unserer Vaterstadt verkünden, dass Eintracht und gegenseitiges Vertrauen die Grundpfeiler aller größeren Schöpfungen sowohl im Staate als auch in der Gemeinde sind.
Möge es – an den Segen des Friedens, wie auch an den Segen der Arbeit erinnernd – lange noch stehen, umgeben von dauerndem Frieden!“

Karte Busch 2 1911Sehr verehrte Festgäste,
liebe Mitglieder,

seien Sie uns herzlich willkommen zu 100 Jahre Friedensdenkmal, - 100 Jahre Heimat- und Geschichtsverein Steinheim am Main.

Dies waren die Grußworte von Carl Spielmann,Bürgermeister, Dr. Josef von Eiff, Gerichtsassessor, Adam Malsi, Pfarrer der katholischen Gemeinde, August Eckhardt, Pfarrer der evangelischen Gemeinde, Franz Paulin, Hauptlehrer, Wilhelm Sticksel, Lehrer, Salomon Schönmann, Vorsteher der israelitischen Gemeinde und August Meyer, Kaufmann.

In einem 3tägigen Fest, wurde vor 100 Jahren vom 14. bis zum 16. Oktober die Enthüllungsfeierlichkeiten für das Friedensdenkmal begangen.

In der Festrede des damaligen Gerichtsassessors Dr. Friedrich Josef von Eiff hieß es: „Möge das Denkmal ewig stehen, und möge, solange es steht, der Friede, dem es gewidmet ist, erhalten bleiben unserem lieben Vaterland, zum Segen seiner Bewohner, zum Segen der ganzen Welt. Möge es aber auch im allgemeinen ein steter Mahnruf sein zum Frieden im Leben der Einzelnen, zum Frieden im eigenen Menschenherzen, zum Frieden in den Beziehungen mit den Mitmenschen! Dann steht es gut um den einzelnen, gut um die Gemeinden, gut um unser Vaterland.“

So begrüßen wir herzlich unsere demokratisch gewählten Vertreter den Landtagsabgeordneten Aloys Lenz, die Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck,  Herrn Oberbürgermeister Claus Kaminsky, die Stadträtin Waltraud Hoppe und die Stadträte Franz Ott, Günther Jochem und Lutz Wilfert. (Michael Goebler, Wulf Hilbig, Heinz Münch).

Seien Sie uns herzlich willkommen, ebenso wie unsere Freundinnen und Freunde aus der Stadtverordnetenversammlung und dem Ortsbeirat.

Ich begrüße für alle Kolleginnen und Kollegen unseren Ortsvorsteher Klaus Romeis.

Ich zitierte bisher Worte der hier wohnenden.

Aber was bewog den Stifter dieses Denkmals, den Humanisten, Herrn Louis Meyer-Gerngroß, geb. am 18. Februar 1861 in Groß-Steinheim und gestorben am 30. Mai 1932 in Mannheim, seinen Schulfreund Prof. Georg Busch mit diesem Denkmal zu betrauen?

Vielleicht lag im, ausgehend von seiner religiösen Herkunft, der Psalm 52 aus dem Buch der Preisungen am Herzen. Dort heißt es, in der deutschen Übersetzung von Martin Buber: ‚Ich aber bin wie ein üppiger Ölbaum in Gottes Haus, ich weiß mich sicher in Gottes Huld‘

Meine Damen und Herren,

dies ist eine der wenigen Stellen, in der der Ölzweig im Alten Testament vorkommt.

Meyer-Gerngroß war in seinem 50. Lebensjahr, sein Handelsgeschäft bestand seit 25 Jahren.  War es dieser Psalm der ihn berührte uns ein Denkmal zu hinterlassen?

Vielleicht.  „Der Ölbaum“: selbst unter schwierigen Lebensbedingungen können diese harten und knorrigen Bäume wachsen und gedeihen. Sie wachsen rund um das Mittelmeer auf kargen, kalkhaltigen Böden. Sie sind anspruchslos.

Soll dieser karge Boden, auf dem Ölbäume wachsen, ein Bild sein für Gottes Güte?

Wie steht es um diese Zeit, des Kaiserreiches, um Louis Meyer-Gerngroß, den jüdischen Großhändler in Steingut und Porzellan, geboren in der Provinzstadt Steinheim am Main und lebend in der damaligen Residenzstadt Mannheim?

Die Güte Gottes ist nicht etwas was alles durchtränkt und erfüllt!
Im Gegenteil: Die Erfahrung der Güte Gottes in unserer Welt ist etwas äußerst Seltenes. Die Welt ist aus der Sicht des Judentums noch nicht erlöst.

Eine Ansicht, die Sie gerne im Anschluss, bei einem Glas Wein, diskutieren dürfen.

Hierzu begrüße ich recht herzlich die Vertreter unserer kirchlichen Mitglieder Frau Pfrin. Heike Zick-Kuchinke, Herrn Pfr. Werner Suerbaum, Pfr. Mario Fischer, Frau Dr. Uischner-Peetz, Herr Rudolf Werner.

Versetzen Sie sich in das Zeitalter von Meyer-Gerngroß um 1900 oder blicken Sie auf die Nachrichten aus unserer Zeit. Blicken Sie auf die Bilder aus Jordanien, Palästina, Syrien oder Griechenland.

Liebe Gäste, die Erfahrung der Liebe Gottes in unserer Welt ist etwas ganz Seltenes.

Aber auch unsere eigene Welt, wie die von Meyer-Gerngroß vielleicht, ist eine harte und oft genug herzlose Welt. Die Güte Gottes ist darin nicht leicht zu sehen, sie tritt nicht offen zutage, sie liegt – in der Tiefe der Wirklichkeit.

Darum ist das Bild vom Ölbaum sehr zutreffend. Der glaubende Mensch, dazu gehörte sicherlich Louis Meyer-Gerngroß, als Mitglied der Synode und des Synagogenrates, wurzelt auf einem kargen Boden und sein Glaube befähigt ihn, wie den Ölbaum, selbst unter schwierigsten Bedingungen zu überleben und sich der Sonne entgegenzustrecken.

‚Ich aber bin wie ein üppiger Ölbaum in Gottes Haus‘

Der Ölbaum ist ein überaus nützlicher und menschenfreundlicher Baum. Er schenkt den Menschen in reichem Übermaß. Er wird, in den Mittelmeerländern, geliebt und verehrt.

In der Übertragung des Psalms dürfte das bedeuten, ich möchte so nützlich, so menschenfreundlich sein und dazu dienen die Menschen zu ernähren, zu versorgen und zu erfreuen.

Lassen Sie mich deshalb auch denen Danken, die uns heute dieses Fest ermöglichen. Vielen Dank Herr Schaffer-Hartmann, dass wir wieder hier im Museum feiern dürfen. Vielen Dank Herr Oberbürgermeister, dass wir mit ihrer Hilfe eine Unterstützung für das Steinheimer Jahrbuch für Geschichte und Kultur erhalten haben.

Und vielen Dank den Autoren dieser Festschrift: den Herren Dr. Ernst Henke, Norbert Kemmerer, Dr. Michael Maaser und Stefan Mader.

‚ich weiß mich sicher in Gottes Huld‘

In einem Lehrbuch der Botanik las ich: „Der Ölbaum kann bis zu 2.000 Jahre alt werden, aber er bringt erst im Alter von etwa 50 Jahren Früchte hervor.“

Es gibt also Dinge, die werden erst im Alter reif, ich denke da an Eigenschaften wie Weisheit, Geduld, Gelassenheit und Heiterkeit.

Eigenschaften, von denen man vom Stifter, in diesem Alter, berichtet.

Mit dem Bild des Ölzweigs hat uns deshalb Louis Meyer-Gerngroß ein starkes Hoffnungsbild hinterlassen. Es hilft uns auch heute noch inneren Widerstand aufzubauen gegen Ärgernisse und Bedrängnisse aller Art.

Dietrich Bonhoeffer hat einmal dazu gesagt: „Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, durchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren

Mit der heutigen Feier danken wir Louis Meyer-Gerngroß, 100 Jahre nach der Enthüllung des Friedensdenkmals, dass er uns ein solches Zeichen hinterlassen hat.

Das wir diese Feier, wie es der Stifter sicherlich gewünscht hätte, auch angemessen und in Freude begehen, dafür sorgt , wie wir bereits hören durften, eine begnadete Cellistin – Frau Tatjana Drujan. Vielleicht ist sie einigen nicht unbekannt, spielt sie doch auch auf dem Rheingauer- oder dem Schleswig-Holsteiner Musikfestivals.

Sie spielte uns zu Beginn, auf ihrem Cello aus dem Jahre 1731 des Meisters Carlo Giuseppe Testori, die aus der jüdischen Liturgie inspirierte Prelude aus der Suite Nr. 1 von Ernest Bloch.

Nach meiner Begrüßung werden wir von ihr mit „Einem musikalischen Moment“ von Paul Ben-Haim, eigentlich Paul Frankenburger,  auf das Grußwort des Oberbürgermeisters hingeführt.

Der 1933 nach Palästina ausgewanderte Ben-Haim, in Deutschland Leiter des Chores der Bayerischen Staatstheater, entwickelte in Palästina den spezifisch israelischen Nationalstil. Er vereinte europäische Einflüsse mit östlichen und orientalischen Elementen. Im folgenden musikalischen Moment hören wir in der Mitte des Stücks die Nachahmung eines palästinensischen Volksinstruments, der Rebabe.

Als letztes Stück wird Tatjana Drujan mit einem traditionellem Klezmer „Kolomejka“ auf die musikalische Tradition an Feiertagen hinweisen.

Wir hören danach den Vortrag von Dr. Michael Maaser. Er wird sich mit dem Friedensdenkmal „vom Denkmal zum Mahnmal“ auseinandersetzt.

Ich wünsche Ihnen auch im Namen meiner Vorstandskollegen einen schönen Übergang in die blaue Stunde.

Burkhard Huwe“
 
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