von Dr. Hans Katzer
Wer im Hanauer Stadtteil Steinheim am Ende der Senefelder Straße hinter dem Wendehammer nach links einem Waldweg folgt, wird zunächst die etwas leicht hügelige Geländeformation feststellen. Dieses Gebiet ist von Sanddünen durchzogen.
Auf der höchsten Stelle einer derartigen querverlaufenden Düne ragen – fast verborgen im Wald - zwei markante Steinsäulen in den Himmel.
Die Säulen sind etwa 5 Meter hoch und haben einen Durchmesser von 76 Zentimeter und stehen 4,3 Meter voneinander entfernt.
Sie sind gleichmäßig rund aus Bruchsteinbasalt mit kleinen Steinen und breiten Mörtelfugen gemauert.
Die Spitzen der Säulen wirken abgebrochen und sind mit Beton abgedeckt.
An der rechten Säule – aus südlicher Richtung kommend - ist ein grünes Hinweisschild mit weißer Schrift angebracht. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den beiden Säulen um die Reste eines Galgens handelt.
Die Inschrift lautet:
Wer im Hanauer Stadtteil Steinheim am Ende der Senefelder Straße hinter dem Wendehammer nach links einem Waldweg folgt, wird zunächst die etwas leicht hügelige Geländeformation feststellen. Dieses Gebiet ist von Sanddünen durchzogen.
Auf der höchsten Stelle einer derartigen querverlaufenden Düne ragen – fast verborgen im Wald - zwei markante Steinsäulen in den Himmel.
Die Säulen sind etwa 5 Meter hoch und haben einen Durchmesser von 76 Zentimeter und stehen 4,3 Meter voneinander entfernt.
Sie sind gleichmäßig rund aus Bruchsteinbasalt mit kleinen Steinen und breiten Mörtelfugen gemauert.
Die Spitzen der Säulen wirken abgebrochen und sind mit Beton abgedeckt.
An der rechten Säule – aus südlicher Richtung kommend - ist ein grünes Hinweisschild mit weißer Schrift angebracht. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den beiden Säulen um die Reste eines Galgens handelt.
Die Inschrift lautet:
Der nicht ganz so flüchtige Betrachter der Säulen wird auch wegen des Standortes die Information für unzureichend halten.
In erster Linie geht der Hinweis auf folgende Begebenheit1 zurück:
„Zur Zeit der Frankfurter Herbstmesse im Jahr 1732 hatte der vorbestrafte Wegedieb Clomann mit einem anderen ‚Dieb mit Namen Lorenz und einer Mittäterin Margarete Will von dem Reisewagen des Handelsmannes Mändel aus Mannheim kurz vor Frankfurt einen Koffer, der hinten auf den Wagen gebunden war, abgeschnitten und Geld und Kleider geraubt. Clomann und Margarete Will waren gefasst worden. Beide saßen zwei Jahre in Haft. Der Dieb im Verlies des Steinheimer Bergfrieds und die Diebin im Zentgefängnis des Rathauses. Endlich kam nach zwei Jahren von den weltlichen Räten der Kurmainzer Regierung der Befehl, dass Clomann mit dem Strang hingerichtet, und der Galgen mit einem neuen Querbalken versehen werden sollte.
Mit einer feierlichen Zeremonie wurden die Vorbereitungen getroffen.
Acht Tage vor der Hinrichtung zogen die Steinheimer Zünfte: die Schiffer und Fischer, die Bäcker, die Metzger, die Häfner, die Leineweber und die Schäfer, an der Spitze 20 Mann Miliz mit dem Zentgrafen, dem Amtsschreiber und den Schöffen des Steinheimer Landgerichts nach dem eine halbe Stunde entfernten Galgen.
Als die Zünfte sich auf der Erhöhung hinter dem Galgen aufgestellt hatten, trat der Zentgraf vor und gab mit einem Beil den ersten Schlag auf den neuen eichenen Galgenbalken im Namen des Kurfürsten von Mainz, den zweiten Schlag im Namen des Domkapitels und den dritten im Namen der kurfürstlichen Gerichtsräte. Dann folgten zwölff Schöffen des Amts und der Zent Steinheim und führten den Beilhieb im Namen des Oberamtmannes, im Namen des Amtskellers und sämtlicher Schöffen.
Nach diesen schlugen die Meister sämtlicher Zünfte den Balken an.
Diese feierliche Handlung wurde auch mit einem Hammer in derselben Reihenfolge an den beiden steinernen Säulen vollzogen.
Darauf zogen die Zünfte zu einem Umtrunk nach dem Stadtwirtshaus, während eigens dazu bestimmte Handwerksleute zurückblieben und den Holzbalken auf den beiden Steinsäulen befestigten.
Am 19. September 1734 fand die feierliche Verurteilung in dem Rathaus auf dem Marktplatz statt. Sämtliche Zünfte aus dem Amte waren zu der feierlichen Gerichtsverhandlung entboten worden.
Im unteren Raum des Rathauses saßen der Amtsschreiber und die Schöffen: Johann Hamann, Daniel Bauer und Henne Wagner von Obersteinheim, Peter Vollert von Niedersteinheim, Peter Spahn von Dietesheim, Jörg Vetter von Mühlheim Marzellin Kaiser von Bieber, Endres Roth von Lämmerspiel, Kaspar Sattler von Rembrücken, Philipp Ricker von Weißkirchen, Peter Wenzel von Hainstadt und Niklas Bauer von Klein-Auheim.
Die Zünfte hatten sich mit Fahnen und Abzeichen ihres Gewerbes vor dem Rathaus aufgestellt.
Vor dem schwarz verhängten Richtertisch, auf dem ein Kruzifix stand und ein Stab lag, stand der Angeklagte Clomann. Der Zentgraf eröffnete das Gericht und fragte den ältesten Schöffen, ob es Zeit, Ort und Recht sei, das Gericht zu hegen. Als die Frage bejaht war, verlas der Amtsschreiber folgende sententia (Urteil):
„In der Inquisitions-Sachen (Klagesache) contra
Johann Adam Clomann und Margaretha Willin
wird auff die an Churfürstlich-Maintzische weltliche
Herrn Räthe von allhiesigem Ambt nach und nach
erstatteten Berichte und beygeschlossen gewesene
Protocolle von dannen anhero ergangenen Befehl von
Zentgraffen und Schöpffen des hieselbigen Churfürstlichen
Land- und Zentgerichts hiermit zu recht erkandt, dass
erwehnter Adam Clomann, weillennn er nach langem
hartnäckigenn leugnen endlich eingestanden hat,
wie er in Anno 1732 wehrender damaligen Frankfurter
Herbst-Meß-Zeit mit beyhülff eines sicheren fremden
Purschens Nahmens Lorenz von Gießen, ohnweit
Sachsenhausen vor dem sogenannnten Affentor einen
Coffre von einer von Darmstadt nach Frankfurt gekommenen
Chaise abgeschnitten und das
darinnn gefundene Geld ad 1137 Gulden nebst anderen
Effecten und Kleidungen mit der coniquisitorischen
(mitangeklagten) Maragartha Willin und berührten Lorenz
getheilet habe. Daß diesem also sey, sich bey der von dem
Kauffmann Nahmens Mändel von Mannheim wegenn des
in dem Coffre befündlich gewesenen bahren Geldes
und effecten übergebenn und in Gegenwart der
Inquisiten beschworenenn Specification ex capite funti
vorher empfangenenn Correktion und verrichteter
Schantzenarbeit sich annochin drey unterschiedlichen
Diebstahlen sich betretten lassen,
folglich als ein incorrigibler und habitualer Dieb sich
des Todes-Straff zugezogen hat, ihn zu wohlverdienter Straff,
andern aber zum abscheulichenn Exempel
mit dem Strang vom Leben zum Tode zu bringen.Groß-Steinheim, den 18. Septembris 1734“
Weiter heißt es2:
„Die Komplizin, die am Pranger stehen musste, wurde dazu verurteilt, das Aufhängen des Clomann ansehen zu müssen. Danach ...“dreymahl umb selbigen mit Ruthen gestrichen und nach dessen Vorgang gebrandmarket, endlich der hohen Ertzstiftlichen Mainzischen Lande für ewig verwiesen werden“.
Während das Armesünderglöckchen läutete, führte man die Verbrecher an Handschellen gefesselt durch das Obertor und Pfortenfeld auf dem Dietesheimer Weg zur Richtstätte im Wald. „Pater Battoni, der pfarrer von Steinheim, betete kniend die Sterbegebete. Der Zentgraf gab das Zeichen, ein Trommelwirbel ertönte, und der Scharfrichter waltete seines Amtes“.
Die „Mitschuldige“ wurde mit Rutenschlägen auf den entblößten Rücken dreimal um den Galgen geführt, dann mit einem Stempeleisen gebrandmarkt und endlich vom Henker an den Main geführt, wo man sie übersetzte und drüben „am rothen Steine“ auf Hanauer Gebiet laufen ließ“.
Die Galgenstrafe in Steinheim
Die Strafjustiz des Mittelalters unterschied die hohe und niedere Gerichtsbarkeit. Leib- und Lebensstrafen durften nur jene Gerichte verhängen, denen vom König die Blut- oder Halsgerichtsbarkeit übertragen worden war.
In Steinheim selbst wurde diese Gerichtsbarkeit vom Land- oder Centgericht beim Amt Steinheim ausgeübt.
Als Gerichts- und Verwaltungsort war Steinheim schon unter den Herren von Eppstein (etwa 12. Jahrhundert bis 1425) bekannt.
Von 1425 bis 1802 war Oberster Dienstherr der Kurfürst und Erzbischof zu Mainz. Trotz großer Besitzungen, die vom Rhein bis Aschaffenburg und Miltenberg am fränkischen Main bis in den Spessart und das Taubertal reichten, war Steinheim für Mainz zwar bevorzugte Residenz, nicht jedoch handels- oder Wirtschaftszentrum.
Am 11. Dezember 1802 wurde das Oberamt Steinheim für den Landgrafen von Hessen-Darmstadt in Besitz genommen.
Weitere Zeugnisse dieses damaligen Gerichtsprivilegs ist zudem auch die Gerichtslinde vor dem Maintor sowie der Burgturm als Kerker.
Die Lage des noch heute sichtbaren Steinheimer Galgens ist sehr typisch.
Man wählte – wie andernorts – eine Anhöhe vor der Stadt in der Nähe einer Ausfallstraße und in der Nähe der Grenze.
Da die Strafe des Hängens eine Strafe der Hochgerichtsbarkeit war, wurde der Galgen zu einer Art von Hoheitszeichen.
Über den Zeitpunkt der Errichtung des Steinheimer Galgens und die Häufigkeit von Hinrichtungen ist kaum etwas bekannt3.
Bei der Aushebung von Gräben für die Verlegung von Kabel wurden in der der Nähe des Galgens Tierknochen gefunden, die sich als
Pferdeknochen aus der Zeit des Mittelalters und des Beginns der Neuzeit herausstellten. Dies könnte damit zu erklären sein, dass das Amt des Henkers, Nachrichters oder Scharfrichters vielmals mit dem Amt des Abdeckers oder Wasenmeisters verbunden war4.
Aus den vorliegenden Zeichnungen aus dem Jahr 1597 ist erkennbar, dass am heute sichtbaren Standort kein Wald vorhanden war.
Es hat wohl auch zuvor einen anderen Standort für den Steinheimer Galgen gegeben nämlich am Anfang des heutigen Gailingsweges.
Bild- und Kartenmaterial
Die älteste von Steinheim (damals (Ober)Steinheim mit Schloss und Niedersteinheim, später auch Groß- und Klein-Steinheim) bekannte Karte aus dem Jahre 1597. Rechts oben vor dem Waldrand ist der zweischläfrige Galgen mit Spitzen und Kugel und Querbalken zu sehen5.
Abbildung 11. Riß der „Bieger Mark“ (Mitte 16. Jh.) Ausschnitt eines Aquarells, aus: Jüngling, Peter, Hanau-Kesselstadt, 2004, Seite 42, auf dem der Galgen auf der rechten Seite oben erkennbar ist.
Fußnoten:
1Diese genaue Beschreibung einer Hinrichtung ist aus dem Jahr 1734 bekannt;
siehe: Imgram, Die Bau- und Kunstdenkmäler in Groß-Steinheim, 1931, Seite 121 f.
siehe: Imgram, Die Bau- und Kunstdenkmäler in Groß-Steinheim, 1931, Seite 121 f.
2Riebling, Historische Rechtsmerkmale in Hessen, 1988, Seite 41 f.
3siehe auch Kaiser, Wilhelm, Steinheim, 1988, S. 134
4ebenda.
5ebenda, Seite 15