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Als Versammlungsort in der Altstadt hat der Friedensplatz gewiss eine wechselvolle Geschichte. Seit seiner Einweihung im Jahr 1911 war das Friedensdenkmal verschiedentlich genutzter Ort. Wohl auch die Parteigänger der Nationalsozialisten bevorzugten es für Versammlungszwecke. Im Jahr des Novemberpogroms und Synagogenbrände, 1938, wurde das Friedensdenkmal beschädigt und zwei Jahre später, 1940, zerstört und abgerissen. Erst in den sechziger Jahren wurde es wieder aufgestellt. Der Initiator war wieder ein
prominenter Steinheimer, der bereits an der Denkmalseinweihung zugegen war und selbst
1933 aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Ein Denkmal, ein Ortsmittelpunkt mit einer sehr eigenen Geschichte.

Eigen waren wohl schon Planung und Einweihung: Stifter wie Künstler, beide seit Schulzeiten miteinander befreundet, inzwischen nach Mannheim und München verzogen und dort erfolgreich beruflich und künstlerisch tätig, sorgten mit Unterstützung lokalpolitisch prominenten Vertretern für die Aufstellung dieses Denkmals in ihrem Herkunftsort, ein ungewöhnliches Denkmal, das für ihre Zeit, dem Kaiserreich, seines gleichen suchen kann. Seine betont unmartialische und unheroische Darstellung und Symbolisierung war für die Kaiserzeit Wilhelms II. erstaunlich. So fand es wohl auch erst im zweiten Entwurf die behördliche Zustimmung zur Aufstellung: auf dem Sockel ein kindlich dargestellter Jüngling im antiken Stil, der einen Ölzweig in die Höhe reckt.

An diesen Ursprung erinnerte vor kurzem, im Oktober 2011, ein Vortrag von Dr. Maaser zum hundertjährigen Bestehen des Friedensdenkmals. In einem Beitrag in der Festschrift2 nehmen die drei Autoren Stellung zu der Geschichte. Unter dem Titel „Vom Denkmal zum Mahnmal“ halten sie kritisch fest, dass mit dem Neuaufbau in den sechziger Jahren eine Deutungsverschiebung der Symbolik des Denkmals vorgenommen wurde, die vom Stifter und Künstler so nicht intendiert war, und somit historisch und gedanklich nicht gedeckt ist:

Ludwig Meyer-Gerngross, geboren 1859 in Steinheim, später erfolgreicher Kaufmann in Mannheim, kaisertreuer und patriotischer Deutscher jüdischen Glaubens, stiftete 1911 zum vierzigsten Jahresgedenken der Gründung des Deutschen Reiches 1871 das Friedensdenkmal in der Hoffnung auf einen fortgesetzten dauerhaften „inneren und äußeren“ Frieden im deutschen Reich. Er stiftete gewiss kein Denkmal der friedlichen Völkerverständigung oder der Friedensbewegung, wie wir diese heute kennen.

Die Autoren sehen „nach den Erfahrungen des >Dritten Reiches<“ mit dem Wiederaufbau des Friedensdenkmals eine Verschiebung der Wahrnehmung – nicht mehr die ursprüngliche Idee steht im Vordergrund, sondern ein „jüdischer Erinnerungsort“, eben ein Mahnmal, so sähen es die Steinheimer heute (Festschrift, S.23). Was auch immer ein „jüdischer Erinnerungsort“ sein mag – Erinnerung an Juden? Von Juden? Wer erinnert sich wessen?
– der Hinweis darauf und der Gedanke, dass sich Bedeutungen und Wertungen von Denk-
Mälern vor immer neuer Geschichtserfahrung verändern, sind nachvollziehbar. Es ist bis zu einem gewissen Grad unausweichlich: keine Erinnerung, keine Erzählung, auch die der Geschichtswissenschaft nicht, bleibt über die Zeit dieselbe. An den Verschiebungen der Bedeutung werden mehr oder weniger „deutlich“ – oder eben: „verschlüsselt“, wenn man so möchte – die aktuellen Ansprüche, Auseinandersetzungen, Konflikte und Selbstverständnisse der in der Gegenwart Lebenden ablesbar und sichtbar.

Eine Frage bleibt: warum ist die Bedeutungsverschiebung für die Autoren so entscheidend? Bzw., in welcher Hinsicht, in welchem Kontext ist sie es? Was ist die Intention der Autoren in der heutigen Gegenwart mit ihrem Beitrag, mit Blick auf welches Publikum

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2S. Fußnote 1

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